Seit November ist Chantal Hoffmann als Freiwillige im Projekt. Hier berichtet sie von ihren ersten Eindrücken.
Meine Ankunft im Karai Children’s Home war von einer Herzlichkeit geprägt, die mir jede vorherige Anspannung nahm. Von der ersten Minute an fühlte ich mich von Mia, einer anderen Freiwilligen, meiner Ansprechpartnerin Juliet und dem gesamten Team sowie den Kindern und Jugendlichen wunderbar aufgenommen. Mia nahm sich die Zeit, mir alles zu zeigen und erklärte mir die Abläufe, was mir den Einstieg sehr erleichterte. Diese warme Willkommenskultur sowie die offene und einladende Art aller gab mir sofort das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein und hat mir den Start in Kenia sehr erleichtert.
In den ersten Tagen und Wochen tauchte ich mit Begeisterung in das lebendige Treiben im Karai Children’s Home ein. Gemeinsam mit den Kindern bastelten wir Memory-Spiele und puzzelten, was eine willkommene Abwechslung zum Alltag war, da die Kinder neue Spiele kennenlernten. Es war eine große Freude zu sehen, wie diese „einfachen“ Aktivitäten ein Lächeln auf die Gesichter der Kinder zauberten und uns alle näher zusammenbrachten. Ein weiteres Highlight war die Vorbereitung der Kinder auf ihre Ferien zu Hause. Diese Momente der Planung, der Gespräche und der gemeinsamen Vorfreude waren nicht nur wichtig für die Kinder, sondern auch unglaublich bereichernd für mich persönlich.
In Deutschland studiere ich im 5. Semester Soziale Arbeit, weshalb ein spannender Aspekt meines Aufenthalts hier ist, die kenianische Soziale Arbeit hautnah zu erleben. Während ich einen Teil meines Praxissemesters hier absolviere, fallen mir Unterschiede und Besonderheiten auf, die die Sozialarbeit in Kenia prägen. Besonders beeindruckend finde ich den gemeinschaftsorientierten Ansatz, der hier verfolgt wird. Die enge Zusammenarbeit mit Familien und der Community, um nachhaltige Unterstützungssysteme zu schaffen, ist bemerkenswert und unterscheidet sich von dem, was ich aus meinem Studium kenne. Ein prägendes Gespräch, hatte ich mit einem erfahrenen Sozialarbeiter. Er erklärte mir, dass es in der kenianischen Sozialarbeit wichtig sei, Probleme nicht direkt als solche zu benennen, sondern stattdessen von „Challenges“ (Herausforderungen) zu sprechen.
Diese subtile Wortwahl hat eine tiefere Bedeutung: In einem Land, in dem die Menschen bereits mit zahlreichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, ist es entscheidend, eine Haltung der Hoffnung und des positiven Handelns zu fördern. Für mich war es ein aufschlussreicher Moment, da ich erkannte, wie stark Sprache die Wahrnehmung und Herangehensweise an Herausforderungen beeinflussen kann.
Besonders bewegt hat mich die zentrale Rolle des Glaubens in Kenia. Anders als in Norddeutschland, wo der Glaube oft privat und zurückhaltend ausgelebt wird, wird hier der Glaube in einer Intensität und Gemeinschaftlichkeit gelebt, die den Alltag prägt. Der Glaube wird nicht nur als persönliche Stärke, sondern auch als Teil der Sozialen Arbeit genutzt, um Vertrauen und Hoffnung zu fördern. In der Arbeit mit den Kindern habe ich immer wieder erfahren, wie diese spirituelle Kraft den Menschen in schwierigen Zeiten halt gibt.
Die bisherige Zeit im Karai Children’s Home hat mich beruflich und persönlich bereichert. Die Begegnungen mit den Kindern, die tiefe Verbundenheit mit der Gemeinde und der ganzheitliche Ansatz, der hier verfolgt wird, haben mir gezeigt, wie sehr Soziale Arbeit nicht nur im professionellen, sondern auch im zwischenmenschlichen Bereich wirken kann. Kenias Gastfreundschaft und die tief verwurzelten Gemeinden haben mir gezeigt, wie viel stärker und nachhaltiger Veränderung sein kann, wenn sie aus dem Miteinander und nicht nur aus individuellen Bemühungen entsteht. Und genau diese Erkenntnis nehme ich mit zurück in meinen Beruf – und mein Herz. Auch erhoffe ich mir, durch diese interkulturellen Erfahrungen einen frischen Blick auf die Herausforderungen und Möglichkeiten der Sozialarbeit in Deutschland zu gewinnen.