
Erst kam Corona, dann die Wahl: Fast drei Jahre lang hat die Kenia-Hilfe Schwäbische Alb keine Freiwilligen mehr ins Straßenkinderprojekt Karai entsandt. Umso mehr freut man sich dort auf die ersten, die nach langer Zeit wieder anreisen, zumal es keine Unbekannten sind. Hermann Bizer und Heiner Wezel haben beide schon mehrfach im Projekt mitgearbeitet. Seit Anfang Januar sind sie in Karai. Bizer wird zwei Monate lang bleiben, Wezel einen.
Im März 2020 mussten mehrere Freiwillige wegen der Corona-Restriktionen vorzeitig ihren Aufenthalt abbrechen und nach Deutschland zurückkehren. Im Sommer 2022, als eine Einreise nach Kenia eigentlich wieder möglich war, kamen die Wahlen und damit die Besuchersperre. Sie wird von der Kenia-Hilfe immer präventiv für einige Wochen vor und nach der Wahl verhängt, weil stets das Risiko von Unruhen besteht. Zum Glück blieb diesmal alles ruhig – ein großer Fortschritt in Kenia.
Freiwillige in den Startlöchern
Inzwischen stehen schon einige Freiwillige in den Startlöchern und freuen sich auf einen unvergesslichen Aufenthalt in einer völlig anderen Welt und Kultur. Für Hermann Bizer und Heiner Wezel ist es allerdings eine vertraute Welt: Bizer, Lehrer an der Kerschensteinerschule Reutlingen für Hochbautechnik und Englisch, war 2009/10 für ein halbes Jahr in Karai und hat dort die Berufsschule mit an den Start gebracht. Zwei kürzere Besuche folgten einige Jahre später. Inzwischen gibt es eine Schulpartnerschaft. Heiner Wezel, der sich schon viele Jahre für das Projekt ehrenamtlich einsetzt und auch Vorsitzender des früheren Arbeitskreises war, hat 2015 eine Schülergruppe seiner Schule, des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Reutlingen, nach Karai zum Auslandspraktikum begleitet. 2014 und 2018 gab es weitere Besuche.


Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Im Mittelpunkt des bevorstehenden Aufenthaltes steht die Berufsschule von Karai. Mit Schulleiter Kevin Githinji Ngumi und Generalmanager Moses Chege wurde vorab ein ehrgeiziges Programm abgesprochen. Als ehemaliger Lehrer für Betriebswirtschaft und Mathematik wird Heiner Wezel dabei mehr für theoretische Inhalte zuständig sein, Hermann Bizer eher für den handwerklichen Teil. Beiden ist wichtig, nicht als „Besserwisser“ aufzutreten, sondern mit den Angestellten vor Ort auf Augenhöhe zu kooperieren und einen „Mix „kenianisch-deutsch“ herzustellen. Dabei gilt es für Bizer und Wezel, sich dem kenianischen Lebensgefühl anzupassen, vom deutschen Arbeitstempo einen Gang zurückzuschalten, der persönlichen Begegnung Raum zu geben und für sich selbst dazuzulernen. Zum Beispiel, was es heißt, unter weniger günstigen Bedingungen als hierzulande guten Unterricht zu machen. Hilfreich dürfte sein, den familiären Hintergrund der Schülerinnen und Schüler kennenzulernen. Die meisten stammen aus der Region und viele leben in unvorstellbarer Armut. „Die Ausbildung eröffnet einen Weg hinaus und erhöht die Chancen auf einen Job“ meint Heiner Wezel und hofft, dass das Handwerk mit der neuen Regierung tatsächlich einen höheren Stellenwert bekommen wird wie angekündigt.

Projekt Hühnerstall
Konkret sind Seminare, Workshops, Studienfahrten und Einzelgespräche sowohl für Lehrer als auch für Schüler geplant. Es wird um Lehrpläne und ihre Umsetzung im Unterricht gehen, um Stärkung der Zusammenarbeit, um Weichenstellungen für weitere Fortbildungen mit kenianischen Fachleuten, um den Ausbau eines Netzes zur Unterstützung der Schule und ihrer Schüler.
Sogar die Hühner im Projekt könnten von der kenianisch-deutschen Zusammenarbeit profitieren: Der Dachstuhl für einen neuen Stall soll exemplarisch Theorie und Praxis vereinen. Theoretische Grundlage wird der Satz des Pythagoras sein. Die Schreiner müssen ihn dann praktisch ins Holz übertragen. Dafür dass sich die Balken nicht verziehen wird ein neues Gerät aus dem Reisegepäck von Hermann Bizer sorgen: Es misst die Feuchtigkeit im Holz und dürfte zukünftig mithelfen, die Produktion in der Schreinerei zu optimieren – ein weiteres Programmziel des bevorstehenden Einsatzes.